hotze.net


Auf dieser Seite wird ein Vorgang dokumentiert, der, kaum "hochgekocht", auch schon wieder gegenstandlos geworden ist. Als diese Seite gerade fertig war, wurde der Stein des Anstoßes beseitigt: Die angeprangerte Firma hat auf e-Mails und Newsgroup-Beiträge sofort reagiert und nach einem halben Tag die beanstandeten Inhalte von ihrem Web-Angebot entfernt. Der Geschäftsführer hat sich öffentlich entschuldigt. Dafür gebührt der Firma Anerkennung.

Die Usenet-Gemeinschaft (vor allem vertreten durch Teilnehmer der Gruppe
de.etc.beruf.selbstaendig) konnte sich erfolgreich gegen einen dreisten kommerziellen Missbrauch ihrer ehrenamtlich erarbeiteten Inhalte wehren. Ich lasse diese Seite zu Dokumentationszwecken im Netz, lege aber Wert auf die Feststellung, dass die unten gegen "hurra.de" erhobenen Vorwürfe inzwischen gegenstandslos sind.

Benedikt Hotze, 14. 9. 00, 17.00 Uhr


Geschmückt mit fremden Federn

Eine Website integriert Usenet-Beiträge ohne jegliche Quellenangabe in ihr eigenes Angebot und stellt sie frech als eigene Inhalte dar -
Ohne ihr Wissen ausgebeutete Usenet-Nutzer protestieren gegen die ungenehmigte Verwendung ihrer Beiträge auf einer kommerziellen Website




Die Website "hurra.de" aus Stuttgart ist ein typisches Start-Up-Unternehmen. Die beiden Geschäftsführer sind laut Impressum Gerd und René Schweier. René Schweier ist ausweislich seiner Homepage im Jahre 1978 geboren worden und stellt sich als IT-Experte dar. Finanziert wird das Unternehmen "Hurra Communications GmbH" von der Risikokapital-Gesellschaft IVC Venture Capital AG aus Frankfurt/Main.

Die zentrale Geschäftsidee von "hurra.de" besteht augenscheinlich darin, so genannte "Informations-Broker" zusammenzubringen: Fragen von Nutzern werden von anderen Nutzern beantwortet - gegen eine kleine Gebühr von einigen DM, die dem Beantworter zu Gute kommen sollen. Umsatz mit "user generated content" nennen die Marketing-Profis so etwas. "Hier machen Sie Ihr Wissen zu Bargeld" - so heißt das bei "hurra.de":

Soweit wäre diese - wenn auch vollkommen überflüssige - Website nicht zu kritisieren, wenn sich "hurra.de" nicht mit fremden Federn schmücken würde. Denn um die im Mai 2000 gestartete Site mit Inhalt zu füllen, zapfen die Betreiber munter das Usenet an.

Zum Verständnis: Das Usenet ist ein dezentral organisierter Verbund von unzähligen Newsservern, der einen unzensierbaren Meinungsaustausch für jedermann ermöglicht. Auf Grund der netzkulturellen Eigenheiten dieses Dienstes dient er vielen erfahrenen Netznutzern als erste Anlaufstelle für Wissensaustausch und Fachsimpelei, was dort definitionsgemäß vollkommen unkommerziell vonstatten geht.
Das Usenet ist nicht zu verwechseln mit Diskussionsforen im WorldWideWeb, die stets einem bestimmten Betreiber "gehören" bzw. im Sinne des Teledienstleistungsgesetzes zuzuordnen sind. Das Usenet dagegen gehört niemandem. Gerade das macht den Reiz für viele Teilnehmer aus, dort aus altruistischen Motiven Rede und Antwort zu stehen, ohne sich in die Dienste einer gewerblichen Website nehmen zu lassen.

Die Betreiber von "hurra.de" haben offensichtlich noch nicht genügend eigenen "user generated content" auf ihrer Site. Daher stellen sie, ununterscheidbar eingebunden in ihr eigenes Web-Layout, massenhaft Inhalte aus dem Usenet in ihren Dienst ein. Für den gewöhnlichen User von "hurra.de" muss es auf Grund der Gestaltung und Platzierung der Beiträge so aussehen, als handele es sich dabei um von "hurra.de"-Nutzern geschaffene Inhalte.



URL dieses Screenshots war bei mir am 13. 9. 00 diese.


Der obige Screenshot zeigt die Einbindung von Usenet-Inhalten in die kommerzielle Website von "hurra.de". Das Werbebanner (hier: Krombacher) ist deutlich präsent. Gekennzeichnet ist ein Thread, der im Folgenden beispielhaft vertieft wird.



URL dieses Screenshots war bei mir am 13. 9. 00 diese.


Zum Vergleich ein Auszug aus einem Usenet-Newsreader zum selben Thread. Damit wird belegt, dass "hurra.de" Threads aus dem Usenet 1:1 übernimmt:



Damit noch nicht genug: Bei "hurra.de" werden die Usenet-Autoren im Sinne der hauseigenen Logik des "Informations-Broking" als "Verkäufer" bezeichnet, obwohl niemand von ihnen an "hurra.de" oder einen Nutzer von "hurra.de" irgendeinen Artikel "verkauft" hat:



URL dieses Screenshots war bei mir am 14. 9. 00 diese.

Die Artikel selbst werden unter der Überschrift: "Hier ist Ihre gekaufte Antwort" präsentiert. Erneut keinerlei Hinweis darüber, dass diese Artikel in einem völlig anderen Kontext entstanden sind und niemals für die Verwendung in "hurra.de" gedacht waren.

Die Krönung dieser missbräuchlichen Verwendung besteht nun darin, dass die Usenet-Autoren nun durch die "hurra.de"-Nutzer "bewertet" werden sollen. Abgesehen davon, dass eine solche öffentliche Datensammlung über Unbeteiligte massiv gegen Persönlichkeitsrechte und Datenschutzbestimmungen verstößt - immerhin stehen die "Bewerteten" in keinerlei Vertragsverhältnis mit "hurra.de" -, können sich auf diese Weise ehrverletzende Fehlurteile über Personen ergeben. Dem Usenet eigen ist es nun einmal, dass im Verlauf einer Diskussion (eines so genannten "Threads") auch Off-Topic-Artikel vorkommen können, oder kürzeste Folgekommentare, die nur im Zusammenhang verständlich sind. "hurra.de" stellt aber auch solche Artikel als "gekaufte" Antwort auf die Ursprungsfrage dar, die im Threadbaum gar nicht auf die Ursprungsfrage folgen. Damit kann es schnell passieren, dass ein unbefangener "hurra.de"- Nutzer solche Antworten als wenig hilfreich ansieht, weil er ihren Kontext nicht kennt und sie somit gar nicht nicht verstehen kann. Eine daraufhin abgegebene negative Bewertung eines betroffenen Usenet-Autors würde diesen ohne sein Wissen, ohne sein Zutun und ohne eine Korrekturmöglichkeit seinerseits in einem schlechten Licht dastehen lassen.

Spätestens an dieser Stelle wird wohl endgültig klar, warum ich mich gegen diese Praktiken wehre.

Kritisiert wird nicht grundsätzlich, dass Beiträge aus dem Usenet im Web gespiegelt werden. Das machen Usenet-Archive wie Deja.com oder web.de schon seit längerem weitgehend unbeanstandet. Nur: Bei diesen Diensten ist klar erkennbar, dass es sich um Beiträge aus dem Usenet handelt; die Beiträge werden in ihrem tatsächlichen Kontext dargestellt.

Bei "hurra.de" ist das vollkommen anders. Hier wird unter aktiver Verschleierung der Quelle das geistige Eigentum von Dritten ohne deren Zustimmung genutzt, um die eigene Website interessant und profitabel (Werbebanner!) zu machen. Damit wird gegen das Urheberrecht verstoßen.

Durch die Vernichtung der Bezüge (Threads) werden Beiträge aus ihrem Kontext gerissen und deren Autoren ggfs. der Lächerlichkeit preisgegeben. Durch die Bezeichnung der Usenet-Autoren als "Verkäufer" wird suggeriert, diese Autoren hätten ihre Beiträge für "hurra.de" geschrieben und dafür sogar Geld bekommen. Die Bewertungsmöglichkeit suggeriert, dass diese Autoren angemeldete Mitglieder der "hurra.de"-"Community" seien. Damit werden Persönlichkeitsrechte verletzt.

Die über diese Autoren gesammelten Daten (Bewertungsmöglichkeit!) verletzen überdies die Datenschutzgesetze.

Eine Geschäftsidee, die auf dem Verstoß gegen einschlägige Rechtsgrundlagen basiert, ist keine gute Geschäftsidee. Ich behalte mir vor, den Risikokapitalgeber über diese Praktiken ihrer "Schützlinge" zu informieren.

Eine exakte juristische Bewertung dieser Praktiken mögen andere leisten. In der Newsgroup de.soc.recht.datennetze wurde am 13. 9. 00 ein Thread zu dem Thema begonnen. Ich möchte zu einer Diskussion zu dem Thema anregen, bitte aber um Verständnis darum, dass ich persönlich wohl nicht die Zeit habe, größere Aktivitäten (z.B. Sammelklage etc.) zu koordinieren.

Benedikt Hotze, 14. 9. 2000, 12.00 Uhr


Ich habe einen Brief an die Geschäftsführung von "hurra.de" geschrieben und darin eine Frist gesetzt, innerhalb derer meine eigenen Beiträge aus der Website "hurra.de" verschwunden sein müssen. Diesen Brief dokumentiere ich im Folgenden:

Herrn
René Schweier
Hurra Communications GmbH
Wollgrasweg 27

70599 Stuttgart


Berlin, 14. 9. 2000

Missbräuchliche Übernahme von Usenet-Beiträgen

Sehr geehrter Herr Schweier,

in der von Ihnen verantworteten Internetpräsenz unter www.hurra.de werden Diskussionsbeiträge aus dem Usenet (Newsgroups) in missbräuchlicher Weise veröffentlicht. Missbräuchlich,

- weil durch die Aufmachung und Gestaltung der Site der Eindruck erweckt wird, die von Ihnen übernommenen Usenet-Beiträge seien originäre Beiträge von "hurra.de"-Nutzern bzw. Autoren;

- weil durch die Kennzeichnung von Usenet-Autoren als "Verkäufer" der Eindruck erweckt wird, diese hätten ihre Beiträge an "hurra.de" bzw. deren Nutzer "verkauft";

- weil Sie urheberrechtlich geschützte Werke ohne Zustimmung der Autoren auf Ihrer Site veröffentlichen, um damit Ihr Angebot interessant zu machen und ein Umfeld für Werbeschaltungen zu generieren.

Da Sie, wie die angefügten Screenshots belegen, auch Beiträge von mir auf Ihrer Site veröffentlichen, ohne dass ich Ihnen dies gestattet hätte, gehöre ich zu den Betroffenen Ihrer Praktiken.

Ich stelle fest: Meine Beteiligung am Usenet dient nicht dem Zweck, der Website "hurra.de" Inhalte zuzuführen. Das Usenet ist ein dezentrales, unkommerzielles Nachrichtensystem, das technisch, aber auch von der Netzkultur her auf ganz anderen Voraussetzungen basiert als eine kommerzielle Website wie die Ihre.

Ich widerspreche daher der Nutzung meiner Inhalte auf "hurra.de" und setze Ihnen eine Frist bis zum 22. 9. 2000, meine Inhalte von Ihren Seiten zu entfernen.

Sollten Sie diese Frist verstreichen lassen, werde ich juristische Mittel gegen Sie einsetzen.

Eine Information Ihres Risikokapitalgebers IVC Venture Capital AG behalte ich mir vor.

Mit freundlichem Gruß


Benedikt Hotze



Dominik Boecker hat am 13. 9. 00 eine E-Mail an "Hurra.de" geschickt, die ich im Folgenden mit freundlicher Genehmigung von Dominik hier veröffentliche:

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist der 13.09.2000, 23:50:00 Uhr.

Unter folgender URl finde ich auf Eurer Webpage einen Artikel, den ich
Euch nicht geschickt habe und in dessen veröffentlichung durch Euch ich
nicht eingewilligt habe:
http://ib.hurra.de/cgi-local/antwort/antwortzeigen.cgi?sessionid=3444132
307172916&artikelid=8357


Dort werde ich als "Verkäufer" bezeichnet.
Dazu habe ich zwei Fragen:
1. Wie kommt Ihr auf die Idee mich Verkäufer zu nennen?
2. Was soll ich denn "verkaufen"?

Es findet sich die Möglichkeit einer Bewertung meiner Person. Ich bin
nicht "bewertbar", ich verlange die sofortige Löschung dieser
Bewertungsmöglichkeit, da Sie mein allgemeines Persönlichkeitsrecht
verletzt und damit eine Verletzung des § 823 Abs. 1 BGB vorliegt.
Weitergehende Ansprüche behalte ich mir vor.

Da ich auf ihrer Web-Page Namentlich genannt werde, bin ich Betroffener
im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG.
Ich fordere Sie hiermit gemaess Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) auf:

a) Sie haben mir gegenueber unverzueglich offenzulegen, welche Daten
ausser meinem Namen Sie noch über mich gespeichert haben und aus welchen
Quellen diese Daten stammen.
vgl. §§ 19 Abs. 1, 34 Abs. 1 BDSG

b) Sie haben den Verwendungszweck dieser Daten ebenfalls unverzueglich
mir gegenueber offenzulegen.
vgl. §§ 19 Abs. 1, 34 Abs. 1 BDSG

c) Sie haben _saemtliche_ meine Person betreffenden Daten unverzueglich
zu loeschen und mir diese Loeschung zu bestaetigen hilfsweise den
Nachweis zu erbringen, daß diese Daten nicht unzulässig ist.
vgl. §§ 20 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 3, 30 Abs. 3, ferner 4 Abs. 1 BDSG

d) Ich untersage Ihnen jedwede _zukuenftige_ Speicherung meine Person
betreffende Daten ohne meine vorherige ausdrueckliche schriftliche
Einwilligung.
vgl. §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 4 Abs. 2 BDSG

e) Ich untersage Ihnen die Uebermittlung dieser Daten an Dritte. Fuer
bereits an Dritte uebermittelte Daten fordere ich eine unverzuegliche
Sperrung.
28 Abs. 3 BDSG

Ich setze Ihnen zur Erfuellung dieser Forderung eine Frist bis Montag,
den 25.09.2000 22.00 Uhr.

Diese Mail geht gleichzeitig per CC: an mich selber, um zu beweisen, daß
diese Mail abgeschickt wurde.

Mit freundlichen Grüßen
Dominik Boecker


Dominik ist übrigens damit einverstanden, diesen Brief ganz oder teilweise für eigene Zwecke zu verwenden. Daher hat er ihn auch im Usenet veröffentlicht: Message-ID: <1egxaa0.17ndsjg116qn30N%dominik.boecker@gmx.de>

bis hierhin die "Original"-Seite, die entstand, bevor ich vom Einlenken der Firma erfuhr.


Ergänzung: Der Geschäftsführer von "hurra.de" hat sich in der Newsgroup de.etc.beruf.selbstaendig entschuldigt. Sein öffentlicher Beitrag, der einigen Newsgroup-Teilnehmern wortgleich auch als Mail zuging, sei hier dokumentiert:

Liebe Newsgroup-User,

bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, die unser gerade erst online
gegangener Dienst (Hurra.de) Ihnen verursacht hat.
Wir haben aus frei zugänglichen Quellen im Internet einige uns besonders
wichtig und interessant erscheinende Texte ausgewählt und
unseren Nutzern zugänglich gemacht. Dabei gingen wir von einer Einwilligung
der Verfasser aus, da diese Texte sämtlich ohne jede
Einschränkung ins Netz gestellt wurden. Selbstverständlich liegt es uns aber
fern, Sie in irgendeiner Form zu behelligen, weshalb wir
diese Beitrag sofort wieder entfernt haben, ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht versteht sich.

Grundsätzlich moechten wir einige Punkte klarstellen.

- Bewertungen zu Ihrer Person oder anderen Personen aus Newsgroups liegen
nicht vor und hätte es auch nie gegeben.
Es geht allein um die Qualität von Beiträgen. Derartige, auch von anderen
Diensten bekannten Meinungsäußerungen sind,
in den anerkannten Grenzen, von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit
gedeckt. Aber nochmals: Sie und alle anderen
Newsgroup-User sind gelöscht, es kann keine Bewertung geben.

- Die Fragen u. Antworten aus Newsgroups wurden grundsätzlich kostenlos
angeboten. Ein Verkauf von Beiträgen aus
Newsgroups hat es nie gegeben. Unsere Absicht war lediglich, auch Usern die
sich nicht mit Newsgroups auskennen,
die Moeglichkeit zu geben, Zugang zu Eurem Wissen zu erhalten. Leider wurde
dies von Euch falsch verstanden.

Bei weiteren Fragen stehen wir Euch gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Gruessen

René Schweier
Hurra Communications GmbH

[Message-ID: <39C0BF07.7AD77EC8@team.hurra.de>]



So, ganz zum Schluss noch Links zum Usenet-Archiv Deja.com mit den relevanten Threads zum Thema:

Vorgeschichte: hurra.de gatet Anfragen seiner Nutzer ins Usenet, z.B in de.comm.internet.misc: James Bond - Anzahl der Film
Reaktion darauf in de.admin.net-abuse.news und de.soc.recht.datennetze: hurra.de Postings
Reaktion wiederum darauf: de.etc.beruf.selbstaendig: hurra.de
de.etc.beruf.selbstaendig: hurra.de - Entwurf eines Schreibens
de.etc.beruf.selbstaendig: Vorschlag Presseerklaerung
de.etc.beruf.selbstaendig: An die Mitleser von hurra.de
Nachbereitung in de.etc.beruf.selbstaendig: hurra.de wie geht es weiter?

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