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Ist es beim zentralen Baufeld in Altglienicke zunächst einmal der Städtebau
und nicht so sehr die unspektakuläre, wenn auch ordentliche Architektur, der
die Qualität der Bebauung ausmacht, sollen nun zwei Projekte besucht werden,
bei denen vorbildliche architektonische Einzellösungen zum zeitgenössischen
Geschoßwohnungsbau entstanden sind.
Das Wohnquartier Aalemannufer befindet sich im äußersten Norden des bebauten Teils von Spandau, nicht allzuweit entfernt von den Maßnahmen der "Wasserstadt". Hier sind gut 500 Wohnungen auf einem Areal entstanden, das im Süden an einen kleinen, vormals industriell genutzten Stichkanal grenzt. Die Bebauung, die sich in weiten Teilen der Formensprache der klassischen Moderne verpflichtet fühlt, ist vom Kanal aus nach Norden in der Höhe gestaffelt.
Den Auftakt bilden die kanalseitigen, kubischen Stadtvillen der Architekten Büttner, Neumann, Braun mit Martin und Pächter. Sie sind vom zweiten bis vierten Geschoß abgetreppt, wodurch großzügige Südterrassen entstehen. Die klare kubische Baukörpergliederung mit horizontaler Bandgliederung und liegenden Fensterformaten formuliert eine eindeutige Reminiszenz an die Villenbaukunst der zwanziger Jahre. Unbefriedigend ist allerdings, daß der Bezug zum Wasser kaum mehr als einer hohen Baumreihe gilt, hinter der der schmale, kaum sichtbare Kanal lediglich erahnt werden kann.
Eine Bereicherung
gegenüber dem in der Siedlung vorherrschenden weißen Putz als Fassadenmaterial
versucht David Chipperfield mit seinem kompakt-kubischen, fünfgeschossigen Gebäuderiegel.
Hier sind das dritte und das vierte Geschoß - allerdings ohne Bezug auf die
innere Organisation - durch eine Verkleidung mit grauen Faserzementplatten zu einem
umlaufenden "Korsett" zusammengefaßt.
Einer der sympathischsten Beiträge zum Berliner Geschoßwohnungsbau
dieser Jahre überhaupt sind die fünfgeschossigen Wohnzeilen der Darmstädter
Architekten Kramm und Strigl. In den achtziger Jahren
hatten diese Architekten die Szene mit ihrer Wohnanlage Bessunger Straße in
Darmstadt belebt, die eine süddeutsch-verspielte Variante dekonstruktivistisch-chaotischer
Geometrie- und Formvielfalt einführte und somit zum Signal des endgültigen
Endes jeglicher symbolbeladener Postmodernismen wurde. Eine wesentlich diszipliniertere,
dennoch weit vom Berliner Bild des "steinernen Hauses" entfernte Architekturauffassung
prägt ihren Beitrag zum Aalemannufer. Auffälligstes Merkmal ist eine dem
weißverputzten eigentlichen Gebäuderiegel vorgelagerte, offene Balkonzone:
ein Stahlgestell mit individuell verschieblichen Gittersystemen, das eine ganz eigene,
stets veränderliche Ordnungslogik entstehen läßt. Im Verbund mit
klaren Wohnungsgrundrissen und gestalterisch gelungenen Accessoires wie Dachaufbauten
und Verbindungsbrücken ist hier eine vorbildliche Architektur entstanden, die
sich vor den besten Bauten der modernen Architekturgeschichte nicht zu verstecken
braucht.
Während am Aalemannufer eine zeitgenössische Interpretation traditioneller Siedlungsarchitektur mit einer klaren Zonierung von öffentlichem Straßenraum und halböffentlichem Hof entstanden ist, überrascht die Siedlung "Spruch" im Süden des Bezirks Neukölln mit einem auf den ersten Blick uneindeutigen, ja modischen erscheinenden städtebaulichen Layout, das aus der Kombination und "leichter Gegeneinander-Verschiebung" nahezu gleichartiger Haustypen besteht.
Die mit dem Architekturpreis
des BDA Berlin ausgezeichnete, von den Architekten Engel und Zillich gestaltete Siedlung
ist seit 1995 bezogen. Das Grundmodul besteht aus drei- bis viergeschossigen, flachgedeckten
Kuben, die mit ihrer Attikaausbildung und ihren Sprossenfenstern an Peter Behrensí
Beitrag zur Stuttgarter Weißenhofsiedlung erinnern. Allerdings zollen die großen
Treppenhaus- und Wintergartenverglasungen einen Tribut an die energietechnischen
Erfordernisse der Gegenwart. Durch eine immer wieder andere Kombination vorgegebener
Elemente "entsteht das rhythmische Bild einer Siedlung, das aus immer neuen
und anderen Sequenzen zu bestehen scheint und doch auf einem Modul beruht."
Eine in langestreckter U-Form durch die Anlage geführte Erschließungsstraße,
die an einer Stelle einen diagonalen, von Bebauung freigehaltenen Grünstreifen
begleitet, ermöglicht eine eindeutige Trennung zwischen öffentlichen, gemeinschaftlichen
und privaten Außenräumen, vulgo: Gärten.
Diese Siedlung ist inmitten
ihres gewachsenen Umfelds aus Ein- und Zweifamilienhäusern eine zeitgemäße
Antwort auf die Forderung nach verdichtetem, flächensparenden Bauen in der Peripherie,
ohne daß der Anspruch der Nutzer an privaten Außenraum ignoriert würde.
Sie ist überdies ein intellektuell-entwurflich reizvolles Spiel mit dem Spannungsfeld
aus Wiederholung und Variation.
Von der kleinen Siedlung zurück zu den großen Grundsatzfragen. Bei der Entscheidungsfindung für die bedeutenden städtebaulichen Aufgaben im Innenstadtbereich, so beim Potsdamer Platz und beim Spreebogen, wurde häufig auf das klassische Instrument des anonymen städtebaulichen Ideenwettbewerbs gesetzt. Was bei den beiden genannten Standorten zu brauchbaren Ergebnissen führte, die in nachgeschalteten Realisierungswettbewerben konkretisiert werden konnten, ging an anderen Orten und unter anderen Voraussetzungen schief: Schnell in Vergessenheit geriet zum Beispiel der größte Wettbewerb dieser Art, das Verfahren zur Spreeinsel.
Als Sieger ging im Jahre 1994 aus der Rekordzahl von 1105 Teilnehmern der junge und weitgehend unbekannte Berliner Architekt Bernd Niebuhr hervor; weiterverfolgt wurde das Ergebnis des aufwendigen Verfahrens jedoch kaum. Der Hauptgrund: Zum Zeitpunkt der Auslobung herrschte kein politischer Konsens über die alles andere überlagernde Frage nach der Gestaltung des Schloßplatzes respektive des Umgangs mit dem Palast der Republik aus DDR-Zeiten.
Die Brauchbarkeit eines Wettbewerbsergebnisses hängt also bei komplexen städtebaulichen und planerischen Sujets nicht unbeträchtlich von der Qualität der Vorbereitung ab - und diese wiederum von der Koordinationsbereitschaft aller Beteiligten. Bei vielen der Stadterweiterungsprojekte im zentrumsfernen Bereich machte man aber wohlweislich gar nicht erst den Versuch, alles schon vorab klären zu wollen - zu umfangreich war dort der Katalog der offenen Fragen und die Zahl derer, die mitreden wollten oder mußten. Man ersann daher einen neuen Verfahrenstyp, der für die meisten der Stadterweiterungsgebiete Anwendung fand: das "kooperative Gutachterverfahren". Erläutert werden soll es am Beispiel der Rummelsburger Bucht.
Ist das Bauen einer neuen Vorstadt auf der grünen Wiese schon kompliziert genug - die Entwicklung eines bebauten, teilweise industriell genutzten, von ökologischen, denkmalpflegerischen und eigentumsrechtlichen Einschränkungen gekennzeichneten Gebietes ist es erst recht. All diese Umstände kamen beim Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht zum Tragen.
Vergleichsweise zentrumsnah gelegen, gehören
zu diesem Gebiet die gesamte, bislang vernachlässigte Halbinsel Stralau und
der südlich des S-Bahn-Strangs gelegene Spree-Uferstreifen zwischen Ostkreuz
und Kraftwerk Klingenberg. Ursprünglich als Wohnstandort für die gescheiterte
Olympiabewerbung eingeplant, wurde die Rummelsburger Bucht dann als eines der großen
neuen Stadterweiterungsgebiete mit Mischnutzung weiterverfolgt. Die damalige Entwicklungsträgergesellschaft
Rummelsburger Bucht leitete und koordinierte das kooperative Gutachterverfahren.
Dazu gab man zunächst ein Vorgutachten an ein Stadtplanungsbüro in Auftrag. In einer ersten Annäherung an das Planungsgebiet wurden darin Standortfaktoren analysiert und bereits Szenarien und Konzepte für eine für eine quantitative und lokale Verteilung der angestrebten Nutzungen Wohnen, Dienstleistungen und Gewerbe gemacht. Daraufhin wurden 15 Architektur- und Planungsbüros nach bestimmten Proporzkriterien ausgewählt und zu einem Bewerbungsverfahren eingeladen. An einem Präsentationstag im September 1992 trugen Vertreter dieser Büros einerseits Referenzen aus ihrer bisherigen Arbeit, andererseits bereits erste Ideenskizzen zum Standort Rummelsburger Bucht vor. Ein Obergutachtergremium (das aus formalen Gründen nicht "Jury" heißen durfte) wählte daraufhin in einer nichtöffentlichen Sitzung fünf Büros aus, die aufgefordert wurden, an einem honorierten Gutachterverfahren teilzunehmen. Diese "Gutachter" wurden durch ein umfangreiches Kolloquium auf die Aufgabe vorbereitet; zu einem Workshop lagen nur wenige Wochen später bereits Zwischenergebnisse vor, die von den Verfassern präsentiert und von den Obergutachtern für die Weiterbearbeitung beeinflußt wurden. Bereits nach einigen weiteren Wochen wurden dann die Endergebnisse vorgelegt und erläutert. Die Obergutachter wählten unmittelbar nach der Präsentation den Entwurf von Klaus Theo Brenner als Grundlage für den Masterplan aus, in den Teillösungen anderer Teilnehmer (MBM Martorell Bohigas Mackay und Herman Hertzberger) eingearbeitet werden sollten. Diese Synopse hat Brenner im Frühjahr 1993 im Auftrag des Entwicklungsträgers vorgelegt; damit lag sehr schnell die planerische Basis für die Bebauung des Gebiets vor.
Warum nun dieses "kooperative Gutachterverfahren"? Immerhin ist es unter Architektenverbänden teilweise scharf kritisiert worden - man sprach von "Berliner Sonderverfahren" oder - wegen der fehlenden Anonymität - von "unechten Wettbewerben".
Ein anonymer städtebaulicher Ideenwettbewerb wurde für diese komplexe Aufgabe wegen der erwarteten Reibungsverluste während der sogenannten "Tunnelphase" als ungeeignet betrachtet: Um Originalität bemüht, entwerfen die Wettbewerbsteilnehmer bis zur Abgabe zunächst "im Kämmerlein"; zur Einarbeitung von Änderungswünschen müßten mehrere zeitraubende Stufen nachgeschaltet oder Vertiefungen beauftragt werden. Das kooperative Verfahren dagegen ist nicht anonym und daher in beide Richtungen transparent. Alle relevanten Beteiligten sind im Obergutachtergremium vertreten und können unmittelbar auf die Entwicklung des Entwurfs Einfluß nehmen. Damit fließen die Interessen der Investoren, Grundbesitzer und Behörden bereits während der Konzeptfindung ein und können durch die planenden Gutachter ausgeglichen werden.
Das bisher erreichte Ergebnis für die Rummelsburger Bucht jedenfalls läßt sich sehen: Mit einem starken, dennoch prozeßorientierten Masterplan im Hintergrund entsteht hier peu-à-peu eine neue Vorstadt, die mit unterschiedlichen städtebaulichen Figuren auf das jeweilige Quartier eingeht.
Die Zeilenbauten im "Wohnpark Stralau"
auf der Basis eines städtebaulichen Plans von Herman Hertzberger stehen senkrecht
zum Ufer und ermöglichen so einer Vielzahl von Bewohnern den direkten Sichtbezug
zum Wasser. Die Materialität der von verschiedenen Architekten errichteten Wohnzeilen
sucht mit hellem Putz, Glas und Metall nicht den Anschluß an die "steinerne"
Berliner Mode.
Eine viertelkreisförmige Sonderform (Architekt: ebenfalls
Hertzberger) reagiert auf ein prominent plaziertes Speichergebäude aus dem Jahre
1881, das seinerseits von den Architekten Becker, Gewers, Kühn und Kühn
für Büros, Lofts, Dienstleistungen und Gastronomie umgestaltet werden soll.
Ganz anders präsentiert
sich dagegen auf der gegenüberliegenden Seite der Spree die Bebauung am Nordufer.
Hier sind strenge, in dunklem Ziegel verkleidete "Hofgärten und Stadtpalais"
der Architekten Pudritz und Paul entstanden.
Auch hier öffnet sich die kurze Seite der Blöcke zum Wasser, um möglichst
vielen Wohnungen den Bezug zum Fluß zu gewährleisten.
Die Gesamtmaßnahme erhält allerdings erst dann ihre planerische Abrundung,
wenn auch der von Brenner geplante Dienstleistungsstandort am Ostkreuz errichtet
wird. Erst damit würde den Wohnungen eine nennenswerte Anzahl von neuen Arbeitsplätzen
zugeordnet sein - und erst dann wäre redlicherweise von einer neuen (Vor-) Stadt
zu sprechen.
Während an der Rummelsburger Bucht die dort vorgefundene historische Bausubstanz - vom Gefängnis bis zur 20er-Jahre-Glasfabrik - von Anfang an als identitätsstiftender Standortfaktor erkannt wurde und positiv in die Planungen einbezogen wurde, schienen den Verantwortlichen des Entwicklungsgebiets Eldenaer Straße die Zeugen der Geschichte nichts als lästig zu sein. Eldenaer Straße - das ist das einzige förmlich festgelegte Berliner Entwicklungsgebiet innerhalb des inneren S-Bahn-Rings, das ist das Gelände des ehemaligen "Zentral-Vieh- und Schlachthofs" an der Landsberger Allee im Bezirk Prenzlauer Berg. Seit 1881 war hier, mit Ausbauten in den zwanziger- und dreißiger Jahren unter Richard Ermisch, einer der größten Schlachthöfe Europas entstanden, der bis 1990 betrieben wurde. Seit 1992 kümmert sich ein eigens eingerichteter Stadtentwicklungsträger darum, auf dem Gelände Wohnen und Gewerbe unterzubringen. Ein im Jahre 1993 ebenfalls aus einem kooperativen Gutachterverfahren hervorgegangener Masterplan der Darmstädter Architekten Trojan, Trojan und Neu dient seither als Grundlage.
Doch bei allem Lob über gelungene Lösungen des Entwurfs war offenbar übersehen worden, daß nach diesem Plan von der historischen Substanz, die in weiten Teilen unter Denkmalschutz stand, nur wenige Alibi-Stücke überleben sollten: Blankensteins Rinderauktionshalle etwa, die pittoreske Eingangssituation mit dem Direktorenhaus an der Thaerstraße, einige Hallen in signifikanter Lage an der Landsberger Allee. Die übrige Substanz des bei Planungsbeginn fast flächendeckend bebauten Geländes wurde als weitgehend abgängig betrachtet. Ab 1995 begann der Entwicklungsträger, begleitet von öffentlichen Protesten, mit dem großflächigen Abriß - teilweise sogar illegal gegen bestehendes Denkmalschutzrecht.
Obwohl sich inzwischen längst abzeichnete, daß das Programm, wie bei
anderen Entwicklungsgebieten auch, gestrafft und gestreckt werden würde, ja
obwohl sogar zwischenzeitlich eine mögliche politische Entscheidung zum kompletten
Verzicht auf die gesamte Maßnahme diskutiert wurde, handelten die Verantwortlichen
weiter ungerührt nach dem Tabula-Rasa-Prinzip. Dahinter stand die phantasielose
Denkweise, nur für abgeräumte Grundstücke könnten Investoren
interessiert werden. Von "Denkmalmanagement" wie beim alten Leipziger Messegelände
oder von bewußtem Bezug auf den Geist des Ortes war und ist hier keine Spur
zu finden.
Die von Richard Ermisch
in den Formen der Neuen Sachlichkeit umgebaute Rinderschlachthalle wurde wenige Tage
vor ihrem geplanten Abriß vorläufig verschont, sein ebenfalls denkmalgeschützer
Kohlebunker, ein faszinierendes Industriedenkmal, dagegen 1995 gesprengt.
Mit Stand von Ende 1998 ist festzustellen, daß durch den Entwicklungsträger
weite Brachflächen geschaffen worden sind, ohne daß bislang nennenswerte
Neubauten entstanden wären. Somit erweist sich die Hoffnung, Berlins einziges
innerstädtisches Entwicklungsgebiet könne im Einklang mit der Geschichte
des Ortes entwickelt werden, in der Zwischenbilanz als gescheitert.
Daß es beim Umgang mit dem Vorgefundenen auch anders geht, beweist die ursprünglich
aus Kassel stammende Architektengruppe "Baufrösche" - wenn auch in
einem ganz anderen Zusammenhang und in einer ganz anderen Dimension. An drei Standorten
in Berlin haben diese Architekten in den neunziger Jahren Umbauten und Aufstockungen
von Schlichtsiedlungen der unmittelbaren Nachkriegszeit durchgeführt. Oberste
Devise dabei war stets der Erhalt des bestehenden nachbarschaftlichen Milieus und
die Sicherstellung bezahlbarer Mieten auch nach der Sanierung. Das architektonisch
bemerkenswerteste Projekt dieser Art, mit dem diese Reihe kleiner Exkurse hier auch
enden soll, ist das Wohngebiet Belß-/ Lüdeckestraße in Lankwitz.
Vorgefunden wurden locker in Zeilen gruppierte Simpel-Behausungen "für unschuldig in Not geratene Familien" in zweigeschossiger Massivbauweise. Einzig die verglasten Treppenhausvorbauten ließen ein Mindestmaß an architektonischem Gestaltwillen erkennen. Wie kaum anders zu erwarten, waren diese Wohnungen eigentlich zum Abriß vorgesehen. Die Architekten schlugen dagegen vor, "die vorhandene Stadt zu nutzen, anstatt sie neu zu erfinden", "aus den Häusern etwas zu machen, statt sie wegzuwerfen", kurz: "aus alten Baracken stolze Häuser zu machen".
Dies ist in hervorragender
Weise gelungen - in einer frischen, aktuellen Architektursprache, die nichts von
der gestalterischen Unbeholfenheit zeigt, die so manchem sozial oder ökologisch
motivierten Bauprojekt in der Vegangenheit zu eigen war. Insgesamt wurden 148 bestehende,
recht kleine Wohnungen modernisiert, 84 meist großzügigere Wohnungen durch
Dachaufstockungen neu gewonnen und zudem 61 Wohnungen in neuen, architektonisch markanten
Kopfbauten der Zeilen errichtet. Nach Abschluß der im umschichtigen Taktverfahren
durchgeführten, insgesamt zweijährigen Baumaßnahmen konnte festgestellt
werden, daß 83 Prozent der ursprünglichen Mieter weiterhin in der Siedlung
wohnten - ein eindrucksvoller Beweis, daß die sozialen Ziele der Architekten
und des Bauherrn GSW erreicht worden sind.
Auch wenn es aus der Peripherie stammt, weist das letztgenannte Beispiel in die Richtung,
die die Stadtentwicklung und die Wohnungsbaupolitik Berlins in der Zukunft nehmen
soll: Nachverdichtung und "Innenentwicklung" in innerstädtischen Kernzonen.
Eine Erkenntnis, die bereits unmittelbar nach der Wende zu haben gewesen wäre,
mußte erst per Umwegsirrtum über das Konstrukt "Neue Vorstädte"
verifiziert werden. Mit dem flächenhaften Wegfall der Wohnungsbauförderung
verliert die Politik allerdings erheblich an Einfluß: Einem Investor, dem man
kein Geld mehr zahlt, wird man noch schlechter als bisher die im öffentlichen
Interesse liegenden Ziele der Städtebaupolitik diktieren können.
Auch wenn hier nur auf einen - repräsentativ-exemplarisch ausgewählten
- Bruchteil des Wohnungsbaugeschehens eingegangen werden konnte, bleibt als Bilanz
ein in der Summe erstaunlich großes Bauvolumen der neunziger Jahre, das architektonisch
und städtebaulich in weiten Strecken ein erfreulich hohes Qualitätsniveau
repräsentiert. Mit einigem zeitlichem Abstand sollten die kompletten Ergebnisse
dieser spannenden Epoche dereinst in toto gewürdigt werden können.
Erstveröffentlichung im Ausstellungskatalog "Wohnen in Berlin".
Der Text hier folgt meinem Manuskript.
Copyright 1998 by Benedikt Hotze