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Kultur-Hooligans!

Von Benedikt Hotze

"Den Krampf einfach wegreißen", forderte einst der Kaiser. Seitdem
gehört ihm unser Mitgefühl. "Ich glaube, wir müssen ihm helfen",
hätte er selbst zu so einem Fall gesagt. Wer sich derart ignorant an
öffentlichem Besitztum vergreifen will, gehört nicht in ein öffentlich
beachtetes Amt. Denn das Münchner Olympiagelände gehört nicht
dem Kaiser, nicht dem 1. FC Bayern, nicht mal dem Freistaat
Bayern. Es ist das Erbe unseres Gemeinwesens, es gehört der
Bevölkerung der Bundesrepublik - und die hat einen Anspruch
darauf, dass ihr wohl bedeutendstes Bau- und Kulturdenkmal
erhalten bleibt.

In Berlin gelingt es, das dortige Olympiastadion, ein Kulturdenkmal
von gegensätzlicher geschichtlicher Herkunft, halbwegs behutsam zu
modernisieren. Immerhin wird es von der Politik standhaft gegen
Krawatten-Hooligans aus der Kommerz-Fußball-Lobby, die natürlich
immer am liebsten "den Krampf einfach wegreißen" wollen, verteidigt.
In München dagegen scheint Einsicht kaum mehr möglich. Das
passt in das baukulturelle Image einer Stadt, in der vor elf Jahren ein
herausragendes Bauwerk der Nachkriegsmoderne - das
Landesversorgungsamt der Brüder Luckhardt - aus politischen
Gründen abgerissen wurde. Die Architektur der Moderne, die sich auf
soziale Ideale der zwanziger Jahre berief, war für München wohl zu
links. Heiter, offen und demokratisch - diese Leitbilder von 1972 sind
dem Kaiser und seinen Helfern offensichtlich unerträglich. Damit
haben wir es mit einem politischen Problem zu tun, das auf
politischem Wege gelöst werden muss. Hoffen wir also auf das
Bürgerbegehren.

Der Autor ist Chefredakteur des Architektur-Online-Dienstes
BauNetz.

Dieser Beitrag erschien am 2. 11. 2000 in der
Süddeutschen Zeitung.


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