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Von Benedikt Hotze
(Stand: 1997)
Diesen Text habe ich geschrieben, als mein Bruder eine Kleinbild-Kompaktkamera mit Zoom-Objektiv bekam. Zuvor hatte er eine alte Rollei B 35, die er allerdings immer seltener einsetzte.
Der Text ist auch losgelöst vom speziellen Kameramodell verständlich, weil
grundsätzliche Fragen angesprochen werden.
photos: The Unofficial Rollei Fan Page and Leica
Einige technische Aspekte zum Fotografieren mit der Leica Z2X
Eine moderne, vollautomatische Kompaktkamera wie die Leica Z2X unterscheidet
sich in der Bedienung völlig von einem klassischen, manuellen Modell wie der
Rollei B 35. Die an der Rollei vorhandenen Einstellmöglichkeiten für Zeit,
Blende und Entfernung sucht man hier vergeblich, stattdessen gibt es automatische
Funktionen, die diese Parameter selbständig steuern. Das hat Vor- und Nachteile.
Der größte Vorteil ist sicher, daß man in der Regel ohne zeitaufwendiges
Nachdenken, Messen und Einstellen ein technisch brauchbares Foto schießen kann.
Der Nachteil dagegen ist, daß die klassischen fotografischen Größen
nicht mehr beeinflußt werden können. So ist zum Beispiel eine gezielte
Kontrolle der Schärfentiefe durch Blendenvorwahl unmöglich.
Für einen technisch nicht allzu ambitionierten Fotografen überwiegen die
Vorteile, die durch die Automatikfunktionen geboten werden. Es ist allerdings von
großem Nutzen, sich über die Funktionsweise der Automatik Gedanken zu
machen, um in bestimmten Motivsituationen durch gezieltes Austricksen der Automatik
zu besseren Bildern zu kommen. Dazu sollen die folgenden stichwortartigen Gedanken
beitragen. Aspekte, die in der Gebrauchsanweisung bereits eindeutig beschrieben sind,
werden hier nicht wiederholt.
Autofocus
Die Scharfstellung des Objektivs auf die Entfernung des Motivs erfolgt automatisch.
Die Leica arbeitet mit einem sogenannten passiven Autofocus. Das heißt: In
der Kamera wird auf trigonometrischem Wege die Motiventfernung ermittelt, indem das
Motiv von zwei verschiedenen Meßpunkten am Gehäuse (= Basis eines Dreiecks)
aus anvisiert wird. Wie das genau funktioniert, sei dahingestellt. Wichtig ist, daß
dieses optische Meßverfahren auf genügend Umgebungslicht angewiesen ist,
um einwandfreie Ergebnisse zu liefern. Deswegen schaltet sich bei geringer Helligkeit
ein Autofocus-Hilfslicht ein ó eine Art Spot auf das Motiv. Dies kann wegen der geringen
Leistungsfähigkeit dieser Lichtquelle natürlich nur auf kurze Distanzen
funktionieren. Das heißt: Bei Nachtaufnahmen von Landschaften etc. sollte manuell
die Unendlich-Einstellung gewählt werden (siehe unter Betriebsarten).
Jede Automatik ist dumm, insbesondere der Autofocus. Der Fotograf weiß genau,
daß er Tante Gisela und nicht das dahinterliegende Gemälde an der Wand
scharfstellen will. Der Autofocus weiß das nicht: Er denkt, das Gemälde
sei das Motiv, weil es zufällig in der Mitte des Sucherausschnitts liegt.
Merke: Der Autofocus stellt nur das scharf, was innerhalb der entsprechenden Markierung
im Sucher liegt. Um aber bildwichtige Motive auch außerhalb dieses Mittelpunkts
ansiedeln zu können (was im Interesse der Bildgestaltung oft die bessere Entscheidung
ist), muß die Entfernung des Motivs durch Druckpunktnahme am Auslöser
gemessen und danach, bei gehaltenem Auslöser, der eigentliche Bildausschnitt
ausgewählt werden. Dies ist die wichtigste Verhaltensmaßregel bei Autofocus-Kompaktkameras.
Die Nahgrenze des Objektivs liegt bei 60 Zentimeter, was in Verbindung mit dem Zoom
schon ganz beachtliche Fotos erlaubt. Wenn das angemessene Motiv näher ist als
dieser Wert, blinkt die grüne Diode, und eine Auslösung ist nicht möglich.
Wer nun partout trotzdem fotografieren möchte, messe einen Gegenstand an, der
etwas weiter entfernt ist und löse dann aus. Bei genügend großer
Helligkeit wird die Programmautomatik eine relativ kleine Blende wählen, die
einen gewissen Schärfentiefe-Spielraum ermöglicht. Somit besteht die Chance,
das Motiv dennoch scharf zu bekommen.
Belichtung
Die Kamera mißt die Belichtung gemittelt über das Sucherbild mit einer
verstärkten Berücksichtigung der Bildmitte (mittenbetonte Integralmessung).
Diese Art der (elektronischen) Belichtungsmessung ist seit Jahrzehnten bewährt
und allemal genauer als der Selenzellen-Belichtungsmesser der alten Rollei.
Bei der Aufnahme bildet die Leica eine als ausgewogen empfundene Kombination aus
Zeit und Blende (Programmautomatik).
Die Lichtstärke der Leica Z2X ist, wie bei Zoom-Objektiven üblich, relativ
bescheiden. Vor allem ist sie abhängig von der eingestellten Brennweite, also
dem Bildwinkel des Objektivs. Am günstigsten ist der Wert in der Weitwinkeleinstellung
35 mm: Die Anfangsöffnung (Lichtstärke) beträgt hier immerhin 4,0
(nicht viel schwächer als die 3,5 der Rollei B 35). Wenn man dagegen in den
Telebereich (70 mm) zoomt, beträgt der Wert nur noch 7,6 (also fast Blende 8),
und das heißt: Nur noch ein Viertel der Lichtmenge geht durch das Objektiv.
Andersherum: Die Belichtungszeit muß vervierfacht werden, um die gleiche Lichtmenge
durchzulassen. Mit 100-ISO-Standardfilm lassen sich somit bei 70 mm Brennweite nur
noch einwandfreie Fotos bei hellen Tageslicht (oder mit Blitz) machen.
Erschwerend kommt noch hinzu, daß im Interesse der Verwacklungsfreiheit die
Belichtungszeiten immer kürzer werden müssen, je weiter man in den Telebereich
kommt. Ist bei Brennweite 35 mm eine 1/30 sec aus der Hand noch gerade tolerabel,
muß es bei 70 mm schon mindestens eine 1/60 sec oder besser eine 1/125 sec
sein (Faustregel: Kehrwert der Zeit = Brennweite in mm). Auch wenn man die gewählten
Belichtungszeiten bei dieser Kamera nicht angezeigt bekommt, sicher ist: Die Probleme
mit der Helligkeit steigen bei der Verwendung der Tele-Einstellung im Quadrat.
Das ist kein ganz großer Nachteil, man muß es aber wissen. Vorgeschlagen
wird, die Einstellung der Brennweite standardmäßig bei 35 mm (und damit
der größten Lichtstärke) zu belassen, und nur im begründeten
Sonderfall in den Telebereich zu zoomen. Wenn man sich dies zum Prinzip macht, ist
die Lichtschwäche des Zoom-Objektivs kein Nachteil, sondern die Zoom-Möglichkeit
als solche erscheint gegenüber einer Festbrennweite als zusätzlicher Vorteil,
der einen kleinen Nachteil mit sich bringt. Alles klar?
Noch ein Hinweis für Fortgeschrittene: Die Belichtungsmessung jeder Kamera ist
darauf geeicht, das gemessenen Objekt als durchschnittlichen Grauwert darzustellen
("Grau" deswegen, weil Belichtungsmesser keine Farben kennen). Das heißt:
Wer den in der Sonne gleißenden Schnee anmißt, erhält auf dem Foto
den Schnee nicht hellweiß, sondern schmutziggrau (und die drei Männer
im Schnee werden schwarz). Denn der Belichtungsmesser dachte ja, er solle das gemessene
Etwas grau darstellen. In einem solchen Fall (Schnee, Strand, Gegenlicht) kann an
der Leica ein Korrekturfaktor von zwei Belichtungsstufen eingegeben werden ("+EV"
= Exposure Value). Damit wird das Motiv auf dem Foto heller dargestellt als bei Standardbelichtung.
Auf den ersten Blick erscheint es fast paradox: Man muß genau dann gezielt
überbelichten, wenn es überaus hell ist.
Auch wer diese spezielle Korrekturfunktion nicht nutzen möchte, sollte bei allen
kritschen Motivsituationen eine sogenannte Ersatzmessung vornehmen: In Kenntnis der
Charakteristik eines Belichtungsmessers wird ein Motivteil angemessen, das erstens
das gleiche Licht wie das Hauptmotiv erhält und zweitens erfahrungsgemäß
einem mittelgrauen Wert entspricht, z.B. grüner Rasen, grauer Asphalt oder notfalls
die eigene Handinnenfläche. Das Problem dabei: Die Kompaktkamera speichert beim
Andrücken des Auslösers Entfernung und Belichtung gekoppelt. Bei solchen
Ersatzmessungs-Tricks ist also darauf zu achten, daß das ersatzgemessene Motivteil
eine annähernd gleiche Entfernung zum Hauptmotiv hat.
Zur Beruhigung kann allerdings auch gesagt werden, daß Farbnegativfilme über
einen vergleichsweise großen Belichtungsspielraum verfügen, der so manche
Fehlbelichtung ausbügelt. Über- oder unterbelichtete Abzüge sind meistens
dem vollautomatischen Großlabor anzulasten, nicht dem Fotografen. Nur bei Diafilmen
ist eine sehr exakte Belichtung erforderlich.
Betriebsarten
Die Kamera hat ein Tipp-Tipp-Tipp-Tasten-System zur Auswahl der einzelnen "Betriebsarten".
Die immer gleiche Abfolge der Betriebsarten ist in der Bedienungsanleitung und auf
dem kleinen Kärtchen abgedruckt, das in einem Seitenfach der Bereitschaftstasche
untergebracht werden kann.
Standardmäßig erscheint nach jedem Einschalten die "Universal"-Betriebsart
mit automatischer Blitzzuschaltung ó egal, was zuvor ausgewählt war.
Über die Leistungskraft des eingebauten Blitzes sollte man sich keine Illusionen
machen: Er funktioniert nur auf wenige Meter. Kathedralen kann man damit nicht ausleuchten,
auch wenn man immer wieder Leute sieht, die das versuchen. Bei Freiluftpanoramen
in der Dämmerung ist der Blitz vollkommen nutzlos.
Leider neigt die Kamera in der Standard-Betriebsart in vielen Situationen dazu, den
Blitz auch ungewollt zuzuschalten, sobald man den Auslöser andrückt. Dem
Fotografen teilt sich diese Absicht durch die rote Diode im Sucher mit: Erst blinkt
sie beim Laden des Blitzes (kostet viel Batteriestrom), dann leuchtet sie permanent
bei Blitzbereitschaft. Abhilfe: Blitz sofort abschalten, wenn er nicht benötigt
wird. Es gibt keinen Grund, den Nachthimmel mit einem Miniblitz aufzuhellen.
Der Vorblitz soll den unschönen "Rote-Augen-Effekt" mildern.
Der tritt dann auf, wenn Gesichter, die sich in einem dunklen Raum befinden, frontal
angeblitzt werden, weil die Pupillen geweitet sind und der Blitz auf die blutdurchflossene
Netzhaut trifft. Durch den Vorblitz blitzt es zweimal; erst beim zweiten Blitz wird
das eigentliche Foto ausgelöst. Manchmal haben sich da die Personen dann schon
wieder weggedreht, und manchmal hat sogar der Fotograf die Kamera schon wieder heruntergenommen...
Bei der manuellen Blitzzuschaltung blitzt es in jedem Falle, egal, wie hell
es ist. Diese Funktion ist selbst bei Sonnenlicht dann sehr empfehlenswert, wenn
sich Personen oder Gesichter im Schatten oder im Gegenlicht befinden. Unbedingt ausprobieren!
Ein Vorblitz wäre in diesem Falle allerdings unsinnig, weil die Pupillen der
Personen wegen der Umgebungshelligkeit bereits so klein sind, daß der "Rote-Augen-Effekt"
nicht eintritt.
Die manuelle Blitzzuschaltung mit Langzeitbelichtung ("SLOW") ist
ebenfalls eine sehr interessante Funktion. Damit kann z.B. in einem künstlich
beleuchteten großen Raum oder in einer abendlichen Straßenszene mit Leuchtreklamen
ein natürlicher, warmer Helligkeitseindruck von der Umgebung erzielt werden,
während die Motivteile im Vordergrund, z. B. Personen, hell angeblitzt erscheinen.
Ansonsten sähe man nur die Personen, und der Rest wäre schwarz. Der Verschluß
bleibt dabei unter Umständen für mehrere Sekunden geöffnet. Wenn sich
dann entweder die Kamera (weil sie nicht auf einem Stativ fixiert ist) oder das Motiv
bewegt, entstehen Unschärfeeffekte: Die Konturen der Personen im Vordergrund
werden mit dem Blitz punktuell wie bei einem Stroboskop "eingefroren",
der Rest verwischt. Dies kann ein gewünschter, modern wirkender Effekt sein,
den man ausprobieren sollte.
Die manuelle Blitzabschaltung wählt man immer dann, wenn der Blitz auf
keinen Fall gezündet werden soll; entweder, weil es verboten ist zu blitzen
(im Museum), oder weil der Blitz wegen seiner geringen Reichweite keinen Sinn ergäbe.
Auch die Unendlich-Einstellung wurde bereits besprochen. Sie ist dann erforderlich,
wenn der passive Autofocus wegen zu geriner Umgebungshelligkeit keine Informationen
über das weit entfernte Motiv mehr liefern kann.
Drei Regeln zusammengefaßt zum Schluß:
1. Bei jedem Foto ist darauf zu achten, daß der Autofocus das Hauptmotiv
und nicht den Hintergrund anmißt
2. In der Weitwinkel-Einstellung ist die Kamera wesentlich lichtstärker als
in der Tele-Einstellung
3. Der Blitz ist eine feine Sache, vor allem, weil man ihn abschalten kann (und oft
abschalten muß).
Copyright 1997 by Benedikt Hotze